Verschärfung der Wegzugsbesteuerung

Verschärfung durch Ausweitung des § 6 AStG auf Anteile an Investmentfonds im Rahmen des JStG 2024.
Bisherige Regelung der Wegzugsbesteuerung
- Die Wegzugsbesteuerung (geregelt in § 6 AStG) findet bislang ausschließlich bei im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften ab einer Beteiligungshöhe von 1 % Anwendung. Im Privatvermögen gehaltene Anteile im Streubesitz (unter 1 % Beteiligungshöhe) sowie auch Anteile an Investmentfonds (wozu auch ETFs gehören) sind bislang nicht von der Regelung erfasst.
- Die Wegzugsbesteuerung tritt ein, wenn eine in den letzten 12 Jahren mindestens 7 Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Person eines der folgenden Wegzugstatbestände realisiert:
- Die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland aufgrund der Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland („klassischer“ Wegzug);
- Die unentgeltliche Übertragung der Anteile (Erbschaft / Schenkung) auf nicht in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Personen;
- Den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechtes nach einem Doppelbesteuerungsabkommen hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile.
- Wird die Wegzugsbesteuerung ausgelöst, führt dies dazu, dass eine Veräußerung der betroffenen Anteile an der Kapitalgesellschaft zum Marktwert fingiert wird und der sich ergebende fiktive Gewinn der Besteuerung unterliegt. In der Folge sind stille Reserven zu versteuern, obwohl es tatsächlich zu keinem Liquiditätszufluss kommt (dry income Besteuerung)
Neuregelung / Änderung des InvStG
- Mit Beschluss des Jahressteuergesetzes 2024 wird den §§ 19 und 49 des InvStG jeweils ein neuer Absatz hinzugefügt, der die Regelungen zur Wegzugsbesteuerung auf Investmentfonds (§ 19 Abs. 3 – neu – InvStG) und Spezial-Investmentfonds (§ 49 Abs. 5 – neu – InvStG) überträgt. Dabei wird auf die Regelungen in § 6 AStG zur Wegzugsbesteuerung verwiesen, d.h. insbesondere die Möglichkeiten der Ratenzahlung und Rückkehrerregelungen sind anwendbar. Auch die Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten sind zu beachten.
- Die Wegzugsbesteuerung auf im Privatvermögen gehaltene „gewichtige“ Investmentanteile soll gemäß den Neuregelungen einschlägig sein, wenn (analog zur bisherigen Wegzugsbesteuerung) eine in Deutschland in den letzten 12 Jahren mindestens 7 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig natürliche Person eines der o.g. Wegzugstatbestände realisiert und (Spezial-) Investmentanteile im Privatvermögen hält.
- Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um inländische oder ausländische Fonds bzw. ETF handelt und ob die Anteile in einem inländischen oder ausländischen Depot verwahrt werde.
- Für Investmentfonds kommen dabei bestimmte Schwellenwerte zum Tragen. So ist z.B bei Investmentfonds Voraussetzung, dass der Anleger
- innerhalb der letzten 5 Jahre vor dem Wegzug unmittelbar oder mittelbar min. 1% an den ausgegebenen Investmentanteilen gehalten hat, oder
- bei Wegzug Investmentanteile hält, deren AK min. 500k betragen.
- Beteiligungen an verschiedenen Investmentfonds werden jeweils getrennt betrachtet und nicht zusammengerechnet (d.h. bei mehreren Fonds mit AK jeweils <500k keine Wegzugsbesteuerung)
- Für Spezial-Investmentfonds sind keine Schwellenwerte (§ 49 Absatz 5 – neu InvStG) geplant, da Beteiligungen von Privatpersonen an Spezial-Investmentfonds per Fiktion generell als gewichtige Fälle gelten.
- Fonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft fallen in der Regel nicht unter das Investmentsteuergesetz und damit auch nicht unter die neue Regelung (allerdings können ggf. Entstrickungsregelungen eingreifen).
- Änderung des Investmentsteuergesetztes soll für Wegzüge ab 1.1.2025 gelten.
Hintergrund der Neuregelung:
- Die Gesetzesänderung wurde durch den Bundesrat angestoßen und geht auf Mitteilungen von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen nach §§ 138d ff. AO („DAC 6“) zurück. Es dürfte der erste oder zumindest der bisher prominenteste Fall sein, in dem der Gesetzgeber nach Auswertung von DAC 6-Meldungen im Wege der Gestaltungsprävention tätig wird. Der Gesetzgeber möchte insbesondere Gestaltungen unterbinden, in denen Anleger eigene Investmentfonds auflegen, um hierüber Anteile an Kapitalgesellschaften zu erwerben und etwaige Wertsteigerungen bei einem Wegzug steuerfrei mitzunehmen. In der Praxis wurden wohl insbesondere Anteile an Start-ups zu einem frühen Zeitpunkt in Investmentfonds eingelegt, um bei einem späteren Wegzug ins Ausland die Besteuerung von Wertsteigerungen zu vermeiden.
Mögliche Empfehlung:
- Ausnutzung der absoluten Betragsgrenzen von 500K und z.B. kurz vor Erreichen der 500k auf einen anderen ETF mit dem gleichen Index umstellen.
- Bisherige Fonds mit AK >500k aufteilen (erfordert allerdings Veräußerung und damit auch Besteuerung des Veräußerungsgewinns).
- Aktien scheinen von der Neuregelung nicht erfasst. Wer sichergehen will, dass er leichter wegziehen kann, könnte also künftig auf Aktien statt Fonds setzen.