Wohnrecht trotz Verkauf der Immobilie?

Wenn ein Ehegatte verstirbt, möchte der andere Ehegatte meist im ehelichen Haus wohnen bleiben, und zwar unabhängig davon, wer im Rahmen der Erbauseinandersetzung die Immobilie erhält oder ob diese ggf. verkauft wird.
Eine ähnliche Situation besteht, wenn lebzeitig Immobilien innerhalb der Familie auf die jüngere Generation übertragen werden sollen. Auch dann müssen ggf. Regelungen getroffen werden, die der älteren Generation weiterhin das Wohnen im bisherigen Familienheim sicherstellen. In diesen Fällen werden daher regelmäßig zwischen den Vertragsparteien – steuerlich motiviert und/oder zur erbrechtlichen Gestaltung – Nießbrauchs- oder Wohnrechte vereinbart.
Rechtlich wird dabei das Eigentum an der Immobilie an die (Enkel-)Kinder ohne Gegenleistung oder zu einem gegenüber dem Marktpreis reduzierten Kaufpreis übertragen, während sich die die Immobilie übertragenden (Groß-)Eltern einzeln oder gemeinsam ein Recht auf Weiternutzung der Immobilie zu Wohnzwecken bis zum Lebensende vorbehalten.
Eintragung des Wohnrechts im Grundbuch zwingend?
Ein derartiges Wohnrecht kann (lediglich) schuldrechtlich vereinbart werden (d.h. durch einen Vertrag zwischen Überträger und Erwerber) oder ergänzt um die Bestellung eines dinglichen Rechts im Grundbuch eingetragen werden (Wohnungsrecht, § 1093 BGB).
Letzteres erzeugt durch die Notwendigkeit der Mitwirkung eines Notars und ein Tätigwerden des Grundbuchamtes Kosten, die der ein oder andere zu vermeiden wünscht und auf Eintragung im Grundbuch verzichtet. Wer jedoch an diesem Punkt eine zu starke Kostensensibilität aufweist und auf Notartermin und die Grundbuchkosten verzichtet, hat nicht selten an der falschen Stelle gespart.
Probleme entstehen in solchen Fällen nämlich spätestens dann, wenn die jüngere Generation das neu erworbene Eigentum an der übertragenen Immobilie verkauft. So auch in einem Fall, den das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg zu entscheiden hatte:
Trotz Vereinbarung: Enkel verkauft Haus, Großmutter muss ausziehen
Sachverhalt
Eine Frau war gemeinsam mit weiteren Miterben Erbin ihres Ehemannes geworden. Im Zuge einer Erbauseinandersetzung verkauften die Frau und die weiteren Miterben das Eigentum an dem Haus, das dem Verstorbenen gehört hatte und von ihm und der Frau langjährig bewohnt wurde, an den Enkel. Vor dem Verkauf einigten sich die Frau und die anderen Miterben mit dem Enkel, dass die damals Mitte 70-jährige Frau auch bei einer Übernahme des Hauses durch den Enkel dieses bis zum Lebensende weiterbewohnen darf (= Vereinbarung schuldrechtliches Wohnrecht zugunsten der Großmutter). Auf eine Eintragung eines dinglichen Wohnrechts im Grundbuch wurde verzichtet.
Bereits anderthalb Jahre später wollte sich der Enkel daran nicht mehr erinnern, kündigte gegenüber seiner Großmutter „das unentgeltliche Nutzungsverhältnis“ und verkaufte das Haus an ein junges Paar zum mehr als doppelten Preis. Dies wollte die Großmutter nicht akzeptieren und verklagte ihren Enkel auf Feststellung, dass ihr ein lebenslanges Wohnrecht zusteht.
Entscheidung
Die OLG-Richter stellten klar, dass der Großmutter gegenüber dem Enkel ein schuldrechtliches Wohnrecht zusteht – also ein Wohnrecht, das nicht im Grundbuch eingetragen ist. Dieses behält seine Gültigkeit trotz des Weiterverkaufs der Immobilie. Weil es sich nur um ein schuldrechtliches, nicht eingetragenes Wohnrecht handelt, das wirksam nur zwischen Großmutter und Enkel vereinbart worden ist und nicht gegenüber Dritten wirkt, kann die Großmutter dies gegenüber den neuen Käufern allerdings nicht geltend machen. Die Großmutter muss das Haus also räumen und dem jungen Paar als neue Eigentümer die Nutzung überlassen.
Wegen der Vertragsverletzung durch den Enkel angesichts des Verkaufs an das junge Ehepaar stehen der Großmutter aber jetzt möglicherweise Schadensersatzansprüche gegen den Enkel zu.
Praxisempfehlung
Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, ein vereinbartes Wohnrecht auch als dingliches Wohnrecht im Grundbuch eintragen zu lassen. Im Vergleich zu den drohenden Folgen (erzwungener Auszug aus der Immobilie, Rechtsstreit, etc. bei nur schuldrechtlichem Wohnrecht) sind entstehende Kosten für Notartermin und Grundbucheintragung eines dinglichen Wohnrechts in den meisten Fällen gut angelegt.
Lebenslanges Wohnrecht
Erhält eine Person lebenslanges (dingliches) Wohnrecht, bedeutet das, dass sie bis zum Ende ihres Lebens in einer Immobilie wohnen bleiben darf. Auch wenn der Eigentümer der Immobilie wechselt, hat der Wohnrechtsinhaber in der Regel weiterhin Anspruch darauf, in „seinen“ vier Wänden wohnen zu bleiben und kann nicht ohne weiteres aus seiner Wohnung vertrieben werden. Dies gilt sogar im Erbfall.
Lebenslanges Wohnrecht: Unzumutbarkeit
Allerdings gibt es wenige Ausnahmefälle, in denen lebenslanges Wohnrecht wegen Unzumutbarkeit gerichtlich verworfen wird. Dafür ist jedoch ein aufwendiger Prozess erforderlich. Der Eigentümer muss nachweisen, dass es ihm nicht zumutbar ist, einem anderen lebenslanges Wohnrecht weiterhin einzuräumen. Dies kann vor allem dann schwierig sein, wenn der Eigentümer das Wohnrecht einmal selbst gewährt hat. Aber auch für neue Eigentümer kann es zur Herausforderung werden, die Unzumutbarkeit nachzuweisen. Das Vorliegen von Gründen für Unzumutbarkeit wird von den Gerichten im konkreten Einzelfall generell sehr streng geprüft. Nicht ausreichend sind meist unter anderem:
- Erschwerter Verkauf
- Auszug des Rechtsinhabers aus der Wohnung
- Wertminderung der Immobilie
- Unbequemlichkeit
- Pflegebedürftigkeit des Rechtsinhabers
In der Regel dürfte es somit schwierig sein, Unzumutbarkeit nachzuweisen. Auch Wohnberechtigten, die z.B. aufgrund eines Pflegebedarfs ausziehen und nur wenig Hoffnung auf einen Wiedereinzug haben, wird das Recht nicht so schnell entzogen.
In seltenen Fällen einer schwerwiegenden Verfehlung durch den Wohnberechtigten besteht die Möglichkeit, dass Unzumutbarkeit gegeben ist. Ein einfacher Streit ist hierfür nicht ausreichend. Drohungen hingegen könnten im Erbrecht eine schwerwiegende Verfehlung darstellen.
Vor Einreichung einer diesbezüglichen Klage ist anwaltliche Beratung zur Analyse der Sach- und Rechtslage sowie der Erfolgsaussichten einer entsprechenden Klage stets empfehlenswert .
Schadensersatz oder Zwangsvollstreckung
Hat der Eigentümer einer Immobilie einen Anspruch (z.B. Schadensersatzanspruch) gegen den Wohnberechtigten, eröffnet sich die Möglichkeit für den Entzug des Wohnrechts auf anderem Wege. Das Wohnrecht ist ein pfändbares Recht im Rahmen einer Zwangsvollstreckung. Bei Nichterfüllung des Anspruchs durch den Wohnberechtigten und Anwendung von Zwangsmitteln könnte das Wohnrecht vom Eigentümer gepfändet werden und der Wohnberechtigte sein Nutzungsrecht verlieren.
Alternative: Einigung mit Wohnberechtigtem
Liegt Unzumutbarkeit vor, kann eine gerichtliche Entscheidung den ehemaligen Wohnrechtsinhaber zum Auszug zwingen. Derartige Klagen sind jedoch nur selten aussichtsreich und erfolgreich, sodass stets und vorrangig andere Methoden in Erwägung zu ziehen sind. In vielen Fällen ist für neue Eigentümer ein Anwohner weder erschwinglich noch wünschenswert; um einen Wohnrechtsinhaber zum Auszug zu bewegen ist demnach eine anderweitige Einigung durch einvernehmliche Absprachen zwischen Eigentümer und Wohnberechtigtem notwendig. Eine wichtige Rolle spielen dabei oftmals finanzielle Entschädigungen für den Wohnrechtsinhaber, der ein so wertvolles Recht schließlich selten ohne Gegenleistung oder Entschädigung aufgeben möchte.
Eigentümer sind häufig gut beraten, eine gemeinsame Einigung von Anfang an zu erstreben, denn wenn noch keine großen (gerichtlichen) Streitigkeiten bestehen, ist die Chance auf eine erfolgreiche Einigung in der Regel deutlich größer. Scheitert der Weg einer gütlichen Einigung, besteht im Nachhinein immer noch die Möglichkeit für eine gerichtliche Auseinandersetzung.
Folgen bei Erlöschen des lebenslangen Wohnrechts
Im Falle einer einvernehmlichen Einigung bzw. bei gerichtlicher Feststellung der Unzumutbarkeit, muss der ehemalige Wohnberechtigte innerhalb des vereinbarten bzw. gerichtlich festgelegten Zeitraums ausziehen. Eigentümer und ehemaliger Wohnberechtigter können selbstverständlich auch andere Vereinbarungen treffen und z.B. aus dem Wohnrecht ein Mietverhältnis bilden. Der Wohnrechtsinhaber könnte dann weiterhin in „seiner“ Wohnung bleiben, nunmehr jedoch entgeltlich gegen Zahlung einer Miete.
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